Globale Megatrends haben für einen starken Anstieg des Ausser-Haus-Konsums gesorgt. Dabei kommt gesunden und frischen Produkten immer mehr Bedeutung zu. Christine Schäfer, Forscherin am GDI, gibt einen Einblick darin, welche Produkte aktuell besonders gefragt sind und welche Auswirkungen sie auf die Kunden und die Gastro- und Retail-Branche haben.
Frau Schäfer, der Ausser-Haus-Konsum hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Worauf führen Sie dies zurück?
Die zunehmende Nachfrage nach Produkten für die Verpflegung unterwegs wird stark durch Megatrends wie die Flexibilisierung, Globalisierung, zunehmende Mobilität und längere Pendelwege getrieben. Unser Lifestyle verändert sich und wir sind immer häufiger dazu gezwungen, uns unterwegs zu verpflegen.
Welches sind die wichtigsten Trends im Bereich des Ausser-Haus-Konsums?
Convenience spielt eine grosse Rolle – die Verpflegung soll einfach, schnell und bequem erfolgen. Daneben rückt das Thema Gesundheit und Frische zunehmend in den Fokus. Wir achten auch bei der Ernährung unterwegs stärker darauf, dass uns die Nahrung guttut. Dieser Trend spiegelt sich auch in einem veränderten Angebot der Gastronomen und Detailhändler wider. Sie haben mehr frische und gesunde Produkte in ihr Sortiment aufgenommen, beispielsweise saisonale Salate und hausgemachte Sandwiches.
Was verstehen Sie unter Convenience?
Convenience ist allgemein einer der wichtigsten Treiber unseres Konsumverhaltens, weil wir alle sehr viel beschäftigt sind. Der Begriff umfasst die Verfügbarkeit und die Schnelligkeit, mit der man zu den Produkten kommt, sowie deren praktische Form. So ist es für die Konsumenten wichtig, dass die Produkte in geeigneten Grössen und Verpackungen daherkommen, um auch unterwegs mühelos verzehrt werden zu können.
Wie etablieren sich Trends in der Schweiz und weshalb dauert es hierzulande oftmals etwas länger, bis sich Trends durchsetzen?
Viele Trends kommen aus dem Ausland, beispielsweise den USA und den uns umgebenden Ländern. Das hat sicherlich mit der Grösse unseres Landes zu tun. Uns fehlen die Metropolen, welche innovative Unternehmen und Startups durch ein grosses Zielpublikum anlocken. Dies heisst aber nicht, dass wir hierzulande nicht auch eine tolle und wettbewerbsfähige Startup-Szene haben. Teilweise erschweren auch regulatorische Rahmenbedingungen die Aufnahme gewisser Trends wie beispielsweise GMO (genmanipulierte Lebensmittel). Vielleicht ist der Schweizer Durchschnittskonsument auch einfach etwas zurückhaltender und beobachtet gerne erst einmal, wie sich ein Trend im Ausland entwickelt.
Welche Produkte werden in der Schweiz aktuell am stärksten nachgefragt?
Gerade im Bereich des Snackings, der einen grossen Teil des Ausser-Haus-Konsums ausmacht, ist eine Bewegung von Comfort Food hin zu einem Wunsch nach mehr Kontrolle zu beobachten. Wir wollen mit unserer Ernährung bewusster Einfluss auf unsere Stimmung und Leistungsfähigkeit nehmen. Verschiedene Studien konnten nachweisen, dass die Ernährung unser mentales Wohlbefinden positiv zu beeinflussen vermag. Entsprechend wichtig wird Functional Food, also Lebensmittel mit einem spezifischen Zusatznutzen – beispielsweise probiotische Joghurts oder Vitaminwasser –, die den Gesundheitszustand und das Wohlbefinden verbessern sollen. Auch Lebensmittel, die eine überdurchschnittlich hohe Konzentration an Nährstoffen enthalten (bspw. Leinensamen, Heidelbeeren, Walnüsse und Dinkel) und damit die mentale Leistungsfähigkeit stärken sollen, sogenannte Superfoods, lassen sich gut vermarkten. Im Bereich der körperlichen Leistungsfähigkeit sind weiterhin Produkte mit hohem Proteingehalt hoch im Kurs. Daneben rückt auch die Nachhaltigkeit zunehmend in den Fokus – regional, saisonal, bio, vegan.
Müssen sich die Gastro- und Retail-Betriebe künftig auf eine höhere Komplexität bei ihren Angeboten einstellen?
Wir haben inzwischen sehr differenzierte Bedürfnisse und es besteht fast die Erwartungshaltung, dass diese alle befriedigt werden müssen. Die personalisierte Ernährung gewinnt deshalb in Zukunft weiter an Bedeutung. Vegetarische oder vegane Alternativen sowie die Möglichkeit, Anpassungen an den Gerichten vorzunehmen, werden vorausgesetzt, um Allergien und Unverträglichkeiten umgehen zu können. Dies macht die Sortimentsgestaltung sicherlich komplexer und erfordert viel Know-how der Verantwortlichen.
Wie kann man als Gastro- oder Retail-Betrieb die Trends nutzen, um bei den Kunden zu punkten?
Die Branche hat es aufgrund der Coronapandemie momentan sowieso sehr schwer. Darum wird vor allem das Erlebnis des Kunden im Fokus stehen. Dies insbesondere, weil durch den Lockdown der Delivery-Bereich an Boden gewonnen hat. Damit die Konsumenten tatsächlich in ein Restaurant sitzen, beziehungsweise sich unterwegs verpflegen, müssen die Atmosphäre, der Service und die Dienstleistung im Allgemeinen einen Mehrwert gegenüber den nach Hause gelieferten Lebensmitteln bieten.
Wie wird sich der Delivery-Bereich Ihrer Ansicht nach entwickeln?
Seit ein paar Jahren ist zu beobachten, dass dieser Bereich in der Schweiz stark wächst. Durch die Coronakrise hat sich die Verbreitung des Trends natürlich zusätzlich beschleunigt. Ich gehe davon aus, dass der Trend weiterhin an Bedeutung gewinnen wird – vor allem weil die Hürde der Erstbestellung inzwischen von vielen Konsumenten genommen wurde.
Wie sieht es diesbezüglich im Retail aus – müssen sich die gelieferten Produkte von jenen, die im Laden angeboten werden, unterscheiden?
Wir unterscheiden hier zwischen Versorgungs- und Erlebniskonsum. Ich kann mir vorstellen, dass man sich die Vorräte für die Grundversorgung vermehrt nach Hause liefern lässt – lang haltbare Produkte wie Pasta und Non-Food-Artikel. Bei Frischprodukten hingegen gehe ich davon aus, dass sie im Sinne des Erlebniskaufs weiterhin öfter im Laden oder direkt bei den Produzenten bezogen werden.
Wir haben jetzt intensiv über die aktuellen Entwicklungen im Bereich des Ausser-Haus-Konsums gesprochen. Welches sind die Trends von morgen?
Fleisch ist und bleibt ein emotionales Thema und die Nachfrage nach Alternativen wächst. Dabei spielen sicherlich pflanzliche Proteine künftig eine wichtigere Rolle sowie Proteine aus dem Labor – sprich Fleisch- und Milchersatz.
Christine Schäfer ist Researcher und Speaker am GDI Gottlieb Duttweiler Institut und analysiert gesellschaftliche, wirtschaftliche und technologische Veränderungen mit den Schwerpunkten Food, Konsum und Handel.
Mehr Food und Frische bei Valora
Makrotrends wie der gesellschaftliche Wandel hin zu kleineren Haushalten, mehr Mobilität und der damit verbundene Ausser-Haus-Verzehr bestimmen die Bedürfnisse der Valora Kunden. Mit ihrem dichten Verkaufsstellen-Netzwerk an Hochfrequenzlagen ist Valora am Puls der Gesellschaft, also dort, wo der Kunde ist. Mit ihren Angeboten begegnet Valora der steigenden Nachfrage nach schnellen, frischen Mahlzeiten und Snacks. Valora verfolgt eine Wachstums-Strategie mit Food als Haupttreiber.
Dementsprechend wird Valora an den bis ins Jahr 2030 gesicherten SBB-Standorten nicht nur einen Teil der Kioske in avec Stores mit höherem Food-Anteil umwandeln, sondern auch k kiosk Verkaufsstellen modernisieren und dort mehr Food führen. Trotz des konsequenten Ausbaus des Foodanteils behält der k kiosk seine DNA: Tabak-, Zeitschriften- und Glücksspiel bleiben das Kernsortiment.
Die Umwandlung der Verkaufsstellen an SBB Standorten verlief zu Jahresbeginn planmässig. Nachdem diese Umbauarbeiten wegen des Ausbruchs des Coronavirus unterbrochen worden waren, wurden sie Anfang Juli wieder aufgenommen und im vierten Quartal 2020 intensiviert. Valora geht davon aus, dass das Projekt im Jahr 2022 abgeschlossen sein wird.
Fotos und Video: Noë Flum.